Off the beaten path

„Schungfabrik“ in Kayl – eine Event-Location mit Seele

By Globetrotter

Die „Schungfabrik“ ist das kulturelle Zentrum der Gemeinde Kayl und wurde, wie es der Name bereits verrät, in einer ehemaligen Schuhfabrik installiert. Das Zentrum bietet eine breite Palette an Shows sowie verschiedenste Veranstaltungen an. Wir nutzten unseren Konzertbesuch, um uns diese Event-Location genauer anzuschauen.

Es ist zwar schon einige Zeit her, aber wir erinnern uns noch genau, denn wir waren sehr aufgeregt, als wir uns im März auf den Weg nach Kayl machten. Unser Ziel war die dortige „Schungfabrik“; unser Event war ein Konzert von Danny Bryant. Der englische Gitarrist ist weltweit bekannt für seine feinfühligen Fingerspiele auf den Saiten und den tiefsinnigen Singer-Songwriter-Texten. Auftritte hatte er bereits an der Seite von Joe Cocker und Carlos Santana. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen!

An die Location hatten wir keine großen Erwartungen, eine alte Schuhfabrik eben. Vor Ort gerieten wir dann doch ins Staunen und nahmen überrascht zur Kenntnis, dass es einen manchmal an Flecken auf dieser Erde verschlägt, die sich als wahre Schatzkästchen entpuppen und die „Schungfabrik“ ist einer davon.

© Emile Hengen

Die Event-Location „Schungfabrik“

Das Gebäude der Location hatten wir uns ganz anders vorgestellt. Wir waren auf einen modernen Bau mit futuristischer Prägung oder einen seelenlosen Neubau eingestellt, als wir am Abend in Richtung Konzert loszogen. Das Gebäude an sich kommt auf den ersten Blick ein bisschen unscheinbar daher, aber durch das Anleuchten mit blauem Licht an diesem Abend bekam es schon mal eine edle Ansicht. An eine Fabrik erinnert es jedenfalls in keinster Weise, eher wegen des Turms im vorderen Bereich an eine Kirche.

Innen wird jedoch schnell klar, was dieses Kulturzentrum so geeignet macht: Es sind einige Festsäle zu finden, die den Ablauf vieler Veranstaltungen parallel nebeneinander leicht ermöglichen. Während wir zu Klängen von Bryants Gitarre mitgingen, fand gleichzeitig ein klassisches Zimmerkonzert und eine Travestie-Show mit der Fada’s Family statt.

Nach dem Konzert schauten wir uns ein wenig die Räumlichkeiten an. Einige waren mit Bühne und Lichtinstallationen schon bestens auf die anstehenden Konzerte vorbereitet. Andere – wohl die früheren Werkhallen – waren komplett leer. Hier konnten wir uns alles vorstellen. Später erfuhren wir, dass hier auch interessante Ausstellungen und Podiumsdiskussionen stattfinden.

© Emile Hengen

Die alte Schuhfabrik

Dabei hatte dieser Veranstaltungsort gar nicht mit kulturellen Veranstaltungen angefangen, sondern als ganz profane Schuhfabrik. Und auch der Gründer Mathias Hubert fing seine Karriere gar nicht an der 14 „Rue Pierre Schiltz“ an, sondern begann sein Handwerk in seiner kleinen Dorfschusterei in der Rümelinger Straße. Er stellte Arbeitsschuhe und Gamaschen her. Das machte ihn schon nach kurzer Zeit so erfolgreich, dass es 1912 an der Zeit war zu expandieren. Er profitierte von der permanent steigenden Nachfrage durch die Minenarbeiter. Sie benötigten die Arbeitsschuhe mit sog. Stahlzehen.

Sein Unternehmen lebte stark vom wirtschaftlichen Aufschwung der Minett-Region, sodass er bereits fünf Jahre später seine Belegschaft von 25 auf 70 aufstocken konnte. Seine Sicherheitsschuhe leisteten einen maßgeblichen Beitrag zum Arbeitsschutz dieser Gegend und in dieser Zeit. Der Erzabbau war keine ungefährliche Tätigkeit, weil er mithilfe von Sprengungen über und unter Tage erfolgte.

1964 wurde das Unternehmen noch von H. Jordan übernommen, weil sich aber die Zeit des Erzabbaus seinem Ende neigte, ließ die Nachfrage nach und der neue Inhaber musste bereits zwei Jahre später Konkurs anmelden. Das Gebäude wurde auf Grund seiner riesigen Werkshallen noch für eine Weile als Lagerstätte für Büromaterialien genutzt.

Erst 1980 ging der Schlüssel des Gebäudes an die Stadt über. Es dauerte weitere zehn Jahre bis die Räumlichkeiten eingeweiht werden konnten und ihre heutige Berufung gefunden haben. Seit 1990 gibt die „Schungfabrik“ wunderbaren Konzerten, spannenden Lesungen oder interessanten Ausstellungen eine Heimat.

© Emile Hengen

Stätte der Begegnung

An diesem Abend war es für uns fantastisch zu erleben, wie sich vor, mitten und nach den Veranstaltungen die unterschiedlichen Arten des Publikums durcheinandermischten und ins Gespräch kamen. Die Gäste des klassischen Orchesterkonzertes nippten in der Pause an ihrem Gläschen Crémant, während die Besucher der Bluesveranstaltung unaufgeregt ihr Bier tranken.

So erfuhren wir auch, dass die Bevölkerung vor Ort über die neue Fassade sehr glücklich ist. Sie wurde erst kürzlich saniert. Bei der Restaurierung wurde besonders darauf geachtet, dass die Ornamente und die Umrandungen der Fenster aus roten Ziegelsteinen auf den ersten Blick zur Geltung kommen. Das neue Gesicht lässt die „Schungfabrik“ direkt in neuem Glanz erstrahlen.

Für uns lebt an so einem Abend das Gebäude mit und deshalb freuen wir uns immer wieder, wenn dort ein für uns passendes Event stattfindet.