Auf dem Gehaansbierg mit seiner verwunschenen Ruine fürchtete sich schon John Malkovich
Gehaansbierg? Das klingt spannend! „Gehaans“, das heißt doch bestimmt „gehangen“ oder „gehängt“, also so ähnlich wie auf dem Escher Gaalgebierg, wo schon im 17. Jahrhundert fleißig ausgepeitscht, geköpft und aufgeknüpft wurde … „Nein, nein“, müssen ein paar einheimische Minettsdäpp die orts- und galgenunkundige Besucherin in Düdelingen enttäuschen, „das hat rein gar nichts mit Hinrichtungen zu tun. Gehaans, das kommt von Johannes, und nach dem, dem Heiligen Johannes, ist der Mont St. Jean oder Johannisberg, wie der Gehaansbierg offiziell heißt, nämlich benannt.“ Doch die Eingeborenen vermögen Trost zu spenden: „Nicht traurig sein, spuken tut’s da oben trotzdem.“ Ha, also doch! Dann nichts wie hin!
Himmlische Hilfe beim steilen Aufstieg
An der Rue du Mont Saint-Jean macht ein Schild Mut. Nur zehn Minuten zu Fuß (und nur zu Fuß kommt man hin) soll die Bergkuppe mit der versteckten Burgruine entfernt sein. Das mag stimmen, aber nicht für Faulpelze. Der Weg führt mitten durch den Wald ziemlich steil bergan. Wer aus der Puste kommt, darf auf himmlischen Beistand hoffen, denn ein steinerner Kreuzweg weist die Richtung. Oben angelangt, ist erstmal Fehlanzeige in Sachen Burgruine. Stattdessen erwartet den atemlosen Bergbesteiger eine etwas windschiefe Kapelle. Leider ist die Tür des Gotteshäuschens verrammelt, der weltliche Mieter scheint nicht da zu sein. Nun gut, kein Wunder, der letzte Einsiedler, der hier die Messe las, wurde 1794 gesichtet. Am Aussichtsturm mit Wahnsinnsblick über den gefühlt gesamten Landessüden (Öffnungszeiten 1.5.-30.09. Mo-Fr 7-19, Sa/So 10-19 Uhr, 1.10.-30.04. nur nach tel. Absprache: 516121-213) vorbei öffnet sich dann eine breite Lichtung, und da ist sie: die verwunschene Ruine.

Das hat der Mansfeld davon …
Ein paar – die Eisen- und Stahlindustrietradition im Süden verpflichtet – schick korrodierte Begrenzungen, die auch als Aufhängung für die Informationstafeln zu dem mehr als alten Gemäuer dienen, geleiten durch die Anlage und erklären, was es damit einst auf sich hatte. Angeblich war das Ganze ursprünglich römisch. Auf den bröckelnden Überbleibseln aus dem 4. Jh. sollen im 13. Jh. dann zunächst zwei Wehrtürme errichtet worden sein, bevor es den damaligen Herren über Düdelingen in den Sinn kam, aus der weitaus weniger sicheren Stadt hier oben hinzuziehen und die Festung zu diesem Behufe tüchtig auszubauen. Wer heute durch die Reste der Burg spaziert, kann mit ein bisschen Fantasie noch nachvollziehen, dass hier einst eine „sehr berühmte Schlossfeste“ stand, wie historische Dokumente behaupten. Selbst einer Strafexpedition aus der Stadt Luxemburg soll das „gewaltige Kastell“, so der O-Ton eines anderen Dokuments, in den 1420er Jahren getrotzt haben. Genutzt hat es ihm wenig. Mitte des 15. Jhs. unternahmen die Franzosen gleich mehrere Attacken auf das Château Fort. 1552 wurde es vom damaligen Gouverneur Luxemburgs, Peter Ernst von Mansfeld, zu allem Überfluss auch noch gebrandschatzt. Danach lohnte ein Wiederaufbau nicht mehr. (Geschieht dem ollen Mansfeld also ganz recht, dass von seiner eigenen Burg in Clausen auch so gut wie nix übrig ist!)
Riesenspielplatz …
Aber wo spukt es denn nun? Okay, die überall herumliegenden Steine sehen aus, als hätte ein Riese mit einer Art Lego gespielt und irgendwann die Lust verloren. Blicken lässt der unordentliche Kerl sich aber nicht. Doch was ist das? Plötzlich fällt der einsamen Besucherin ein schwarzgerahmter Spiegel inmitten der Bauklötze auf. Wie kommt der denn dahin? Und vor allem: Wer schaut sich darin an? Handelt es sich womöglich um den Taschenspiegel von Frau Riese? Oder gehört er einer ganz anderen Dame? Der Legende nach haust hier nämlich die Jongfra vum Gehaansbierg, eine bereits zu Lebzeiten recht scheue Adlige, die nach einer gescheiterten Ehe zurückgezogen hinter den Burgmauern herumgeisterte und, so glaubte der Volksmund aufgrund ihrer nach ihrem offiziellen Ableben schmerzlich vermissten Mildtätigkeit, nicht gestorben war, sondern verbannt wurde.
… oder Schlangengrube?
Zur weiteren Geschichte scheiden sich die Verschwörungstheoretiker. Einigkeit besteht im Wesentlichen nur darüber, dass die Jungfrau alle sieben Jahre in der Nacht zum 1. Mai erscheint, um sich in einem weißen Gewand zu waschen und die Haare zu kämmen – ob sie dafür den Spiegel braucht? Kommt in dem Moment ein Jüngling vorbei, fleht sie ihn um Erlösung an. Aber aufgepasst, Jungs, die Sache hat einen Haken: In der Nacht drauf erscheint das vermeintlich harmlose Mädel als feuerspeiende Schlange mit einem Schlüssel im Maul. Erst, wenn der Jüngling den erwischt, ist der Bann gebrochen und er bekommt das Gespenst mitsamt seinen angeblichen Reichtümern zur Braut. Aber wer möchte jemanden heiraten, der sich sieben Jahre nicht gewaschen hat? Ob Willem Dafoe und John Malkovich, die hier oben im Jahr 2000 für den Film „Shadow of the Vampire“ drehten, dem vermutlich ziemlich stark müffelnden Geist begegneten, ist nicht überliefert. Allerdings sieht Dafoe in dem Streifen selbst derart gruselig aus, dass vermutlich sogar das Gespenst vom Gehaansbierg vor ihm weggelaufen wäre …
Susanne Jaspers
GMS-Daten: 49° 29′ 24.052“ N / 6° 3′ 35.282“ O