Wer bei der Minettregion nur an Hochöfen, Industriebrachen und rußgeschwärzte Arbeiterstädte denkt wird überrascht sein über das viele Grün sowie die Ruhe und Abgeschiedenheit die man in den ehemaligen, renaturierten Grubengebieten finden kann. Im Herzen der Minettregion befindet sich ein seit 1978 stillgelegtes Tagebaugebiet, das noch deutliche Spuren der industriellen Vergangenheit zeigt. Seit 1991 steht der „Prënzebierg – Giele Botter“ mit einer Fläche von 255,30 ha unter Naturschutz.
Bei der Rückgabe aus der industriellen Nutzung an die Natur wurden die ausgedehnten Flächen von anfangs nackten Felsen und Geröll weitestgehend sich selbst überlassen. Nur vereinzelt wurden im Rahmen eines Aufforstungsprogramms in den 70iger Jahren 168.000 Bäume gepflanzt zur Beschleunigung der natürlichen Wiederbesiedlung. So konnte sich ein Mosaik an unterschiedlichen Biotopen mit einem spezifischen Mikroklima entwickeln, ein Rückzugsort für viele
seltene Tiere und Pflanzen. Während an den zuletzt abgeladenen Steinen zaghaft erste Flechten, Moose und andere Hunger- und Durstkünstler die Rückkehr von Flora und Fauna vorbereiten, haben sich an den zuerst aufgegebenen Stellen Pionierwälder mit Birken und Salweiden entwickelt. Moosbedeckte, mit Farnen und Orchideen bewachsene Halden prägen dieses in Luxemburg einzigartige Landschaftsbild. Nicht umsonst wird diese Gegend von den Anwohnern als Paradies bezeichnet.
Auf den Spuren von Lärm und Schweiß
Dieses einmalige Naturreservat können Sie auf zwei Wegen erkunden. Auf dem Entdeckungspfad „Prënzebierg – Giele Botter“ mit einer Länge von 7,6 km wandern Sie auf ehemaligen Trassen, auf den früher „Buggien“ fuhren – Loren zum Transport der Erze – vorbei an steilen Felswänden, Abraumhalden und Abbauflächen mit vielfältigen Standortbedingungen. Weiher und Feuchtgebiete säumen den Weg, genauso wie Trockenrasen, Pionierwälder und schattige Kalk-Buchenwälder. Der geologische Lehrpfad „Giele Botter“ mit einer Länge von 2,6 km verläuft mitten im Naturschutzgebiet und ist nur über den Entdeckungspfad zu erreichen.
Wir erwandern die Giele Botter ausgehend von den Fischweihern in Lamadelaine. Nach einem kurzen Anstieg unter schattigen, alten Buchen und Lärchen stehen wir schon mitten im „Paradies“, eine hügelige, durch Aufschüttungen von „taubem“ Gestein entstandene, verwunschene Landschaft: Moose, Flechten und Farne hängen wie Wattebäusche an den Bäumen – und mitten drin immer wieder behauene Steinriesen. Weniger traumhaft ist die Entstehungsgeschichte. Dieses nicht verhüttbare Material wurde mit vereinter Muskelkraft von Menschen und Pferden auf Förderwagen mühsam hierhergebracht und aufgeschüttet. Weiter auf dem Weg kommen wir in das eigentliche Abbaugebiet „Schlammebierg“ alias „Giele Botter“. Ein terrassenförmiger, tiefer Krater ist Zeuge des gewaltigen Eingriffs in die Landschaft. Wo es früher sehr laut herging – das Donnern der Sprengungen, das Brummen der Lastwagen, das Rattern und Rütteln der Buggien, herrscht heute eine fast gespenstische Stille. Nur der Wind rauscht um die Ecken und Kanten der Steinbrüche.
Nachdem wir den fantastischen Weitblick genossen haben steigen wir hinab in die Tiefen des Kraters, um einen Blick in den Stollen zu werfen. Bevor wir am Rand des Naturschutzgebietes über die Hochflächen zurück zum Ausgangspunkt wandern, kommen wir an Feuchtgebieten, tiefen Schluchten aus rotem Felsen und einem Orchideen Buchenwald vorbei. Man fühlt sich fast wie im Grand Canyon. Kleinere Kinder sollten hier unbedingt an der Hand geführt werden, denn immer wieder lauern tiefe Abgründe.

Natur pur
Seltene Orchideen wie das fleischfarbene Knabenkraut finden ideale Bedingungen in den Feuchtwiesen dieses Naturschutzgebietes. Insgesamt sind hier 21 Orchideenarten zu finden. Der seltene Lanzenfarn ist genauso zu finden wie der Kammmolch oder der Schwalbenschwanz. Wanderer und Amateurgeologen finden auf zahlreichen Tafeln entlang des Wegs viel Interessantes über Bildung, Eigenschaften und Abbau der Minette Schichten und die Besonderheiten der Fauna und Flora sowie der hier heimischen Tierwelt. Das Naturschutzgebiet Giele Botter Prënzebierg ist ein offenes Lehrbuch der Geologie, der natürlichen Sukzession, aber auch der Geschichte einer Region. Darüber hinaus dokumentiert es die Entstehung und Entwicklung von Biotopen aus Menschenhand.
Die Mitnahme einer Karte ist unbedingt zu empfehlen damit man bei den zahlreichen kleinen kreuz und quer verlaufenden Pfaden und Abkürzungen nicht die Orientierung verliert. Bei warmem Wetter sollte auch die Wasserflasche nicht fehlen. Für schattige Wege sind die Bäume meistens noch nicht hoch genug. Es gibt immer wieder Bänke und fantastische Ausblickpunkte die zum Verweilen oder einem Picknick einladen. Damit diese wunderbare Natur für alle erhalten bleibt sollte der Müll wieder mit nach Hause genommen werden.
