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Kayl/Tetingen und das MUAR im Fokus

Die Städte Kayl und Tetingen liegen im Süden Luxemburgs. Obwohl die beiden Orte im Zuge ihrer urbanen Entwicklung im Laufe der Zeit zusammengewachsen sind, unterscheiden sie sich geologisch, wie die bei Grabungskampagnen freigelegten Ablagerungen bezeugen. Ab 1840 wurde Kayl/Tetingen zu einem Eldorado des Bergbaus, das zunehmend Arbeitskräfte aus Luxemburg und dem Ausland anzog, von denen sich viele dauerhaft in der Gegend niederließen. Im Rahmen von Esch2022 steht die Gemeinde Kayl/Tetingen vom 22. November bis 22. Dezember 2022 mit einer Reihe von Projekten im Fokus, darunter zwei Ausstellungen in einem neuen Museum.
Das MUAR – Musée vun der Aarbecht (zu Deutsch: Museum der Arbeit), ein im Rahmen der Europäische Kulturhauptstadt Esch2022 initiiertes Projekt, hat seinen Sitz in der Schungfabrik, einer ehemaligen Schuhfabrik. Das Akronym des landesweit ersten Museums der Arbeit verbindet die Vergangenheit (die Funktion des Museums als Stätte zur Erhaltung des historischen Erbes) und die Zukunft: „muar“ bedeutet auf Luxemburgisch „morgen“. Ein Ziel des MUAR ist es, Themen aus der Arbeitswelt unter den Blickpunkten von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu erforschen.
Im Rahmen von Esch2022 präsentiert das Museum die Ausstellung „Working Class Hereos“ (zu Deutsch: Helden der Arbeiterklasse), die einem nationalen und internationalen Publikum das gesellschaftspolitische Wirken dreier lokaler Persönlichkeiten näherbringt: Jean-Pierre Bausch (1891–1935), Léon Weirich (1878–1942) und Jean Schortgen (1880–1918).
In den Worten von Marie-Paule Jungblut, Kuratorin der Ausstellung: „Uns ist bewusst, dass unsere Ausstellung die historische Realität nie vollständig abbilden kann. Anhand von verschiedenen thematischen Schwerpunkten, die um die Bereiche Beruf und Familie kreisen und sich auf künstlerisch-spielerische Weise mit der Vergangenheit befassen, möchten wir den Besuchern die Erfahrungswelt der Minenarbeiter und ihrer Familien näherbringen, damit sie verstehen, wieso und mit welchen Mitteln Jean Schortgen, Jean-Pierre Brausch und Léon Weirich deren Lebensbedingungen verbessern wollten. Dabei konzentrieren wir uns auf die parlamentarische Tätigkeit dieser drei Politiker.
Die Ausstellung findet sowohl im temporären Ausstellungsraum des Musée FERRUM (Espace Kirscht) als auch in der Stadt und auf dem Gebiet der Gemeinde Kayl/Tetingen statt. Der Raum im Musée FERRUM ist das Herzstück der Ausstellung, wo die Besucher auf eine beeindruckende Zeitreise durch die verschiedenen Aspekte des Alltags eines Grubenarbeiters geschickt werden: Arbeit, Wohnen, Freizeit, Abhängigkeit, aber auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“
Vor der Eröffnung der ersten Ausstellung im MUAR im Mai 2022 ist die Öffentlichkeit eingeladen, die Website des Museums (https://muar.lu/) zu besuchen und an Workshops, Vorträgen und regelmäßig stattfindenden Konferenzen teilzunehmen.
Praktische Informationen
Ausstellung: 01.05.–25.09.2022
Ort: Espace Kirscht – Musée FERRUM (14, rue Pierre Schiltz, L-3786 Tetingen) Öffnungszeiten: Donnerstag, Freitag 16–20 Uhr / Samstag, Sonntag 14–18 Uhr
Eintritt: 5 EUR (kostenlos für Studenten unter 26 Jahren)
Von Oktober bis Dezember 2022 zeigt das MUAR im Musée FERRUM in Tetingen zudem die Ausstellung „The Great Industry“ aus Kaunas, kuratiert von Auksė Petrulienė. Seit 2017 erforscht ein litauisches Kollektiv zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler in Zusammenarbeit mit ehemaligen Fabrikleitern und -arbeitern in Kaunas die grundlegenden Widersprüche zwischen Geschichte und Fiktion, authentischem Wissen und Illusion, Mensch und Maschine, Schrecken und Humor. Ihre Recherche beleuchtet die grotesken Aspekte des Alltags sowjetischer Fabrikarbeiter, die ständig im Widerspruch zwischen der offiziellen sowjetischen Öffentlichkeit und der litauischen Privatsphäre lebten.
Die dritte Ausstellung in diesem 2017 initiierten Zyklus zur „Great Industry“, dessen Titel eine ironische Sichtweise auf das Thema nahelegt, untersucht die pathologischen Symptome der sowjetischen Industrie. Inkaras, die Fabrik, mit der sie sich dazu näher befasst, wurde nicht nur für seine Turnschuhe berühmt, ein sowjetischer „Converse“ von schlechter Qualität (doch damals heiß begehrt): Im Jahr 2000 traten seine Mitarbeiter in einen Hungerstreik, der gleichzeitig die Geburt der ersten nationalen Arbeitergewerkschaft in Litauen bedeutete.
Die Parallelen zwischen der Schuhfabrik in Kaunas und der ehemaligen Schuhfabrik in Kayl-Tetingen, die heute das MUAR beherbergt, wurden im Rahmen von Esch2022, Europäische Kulturhauptstadt besonders offensichtlich.
„The Great Industry 2022“ im Musée FERRUM behandelt zentrale Aspekte der lokalen Geschichte anhand von dokumentarischen Fotos, Beispielen industrieller Erzeugnisse und Werken zeitgenössischer Kunst aus vorangegangenen, von der in Kaunas ansässigen Community-Plattform „Backup Stories“ kuratierten Ausstellungen (2017–2020).
Produzenten: Kaunas Factory „The Anchor“
Praktische Informationen
Ausstellung: 07.10.–17.12.2022
Ort: Espace Kirscht – Musée FERRUM (14, rue Pierre Schiltz, L-3786 Tetingen)
Öffnungszeiten: Donnerstag, Freitag 16–20 Uhr / Samstag, Sonntag 14–18 Uhr
Eintritt: 5 EUR (kostenlos für Studenten unter 26 Jahren)