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Hinter den Kulissen der Eröffnung der Arche

Interview mit Julien Floria, Direktor des neuen Kulturzentrums von Micheville, L’Arche, ein alternativer Ort für Kunst, Musik und neue Technologien
Was sind Ihre ersten Aufgaben als Direktor der Arche?
Ich habe mein Amt am 15. März 2021 angetreten und setze die Arbeit von Isabelle Chaigne fort, die dieses Projekt initiiert und geleitet hat (nachdem sie das Bauprojekt des Zentrums L’Autre Canal in Nancy geleitet hat, wurde sie zu dessen Direktorin berufen). Über mehrere Monate hinweg hat sie mir die Verantwortung für die einzelnen Teile des Projekts übertragen, von der Baustelle bis hin zu den zahlreichen kulturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen dieses Veranstaltungsorts, der in Zusammenarbeit mit den lokalen Körperschaften, der DRAC, der Région Grand Est, den Départements 57 und 54 usw. entsteht. Dien uns gesetzten Vorgaben folgend, konnten wir nun ein Veranstaltungsprogramm festlegen, zu dem auch bereits eingeplante Events im Rahmen von Esch2022 gehören. Wir mussten klarstellen, wie das gesamte Projekt sich entwickeln soll, in welchem Tempo, für welches Publikum und unter welchen finanziellen Voraussetzungen und wie wir eine ausgewogene Nutzung der verschiedenen Räume erreichen.
Um welche Räume handelt es sich dabei?
L’Arche hat drei Vorführungsräume. Die Große Halle ist ein hybrider Raum, dessen Format an unterschiedliche Aktivitäten angepasst werden kann. Bei einer Gesamtkapazität von 1.150 Zuschauern – ein Balkon mit 400 Sitzplätzen und ein Konzertgraben mit 750 Stehplätzen – bietet sie nach dem Ausfahren der Sitzränge insgesamt 660 Sitzplätze. Diese Faktoren und sich daraus ergebenden Möglichkeiten spielten eine zentrale Rolle bei der Festlegung, welche Arten von Produktionen dort stattfinden können. Dieser große Raum wird vor allem Produktionen aus dem Bereich der darstellenden Kunst gewidmet sein, die teils aus künstlerischen Residenzen und szenografischen Recherchen resultieren. Er kann auch für Konzerte genutzt werden – so zum Beispiel für eine Filmvorführung mit Live-Begleitung durch die Philharmonie Luxembourg, die im Rahmen des Festivals des Italienischen Films 2022 geplant ist – sowie als lokale Spielstätte für andere künstlerische Formen, die von der CCPHVA unterstützt werden und die programmatisch von der auf digitale Technologie fokussierten Ausrichtung der Arche abweichen können. Das Programm verknüpft also zeitgenössische Musik, Kino, Theater und Choreografie mit neuen Technologien.
Der große Raum kann neben dem eigentlichen Kinoraum, der über 150 Sitzplätze verfügt und an 5 Tagen in der Woche geöffnet ist, in einen zusätzlichen Vorführungsraum umgewandelt werden. Das Kino ist an den Hauptempfangsbereich und an das Bar-Restaurant angeschlossen, das vornehmlich nachhaltig produzierte und lokale Produkte anbietet und als geselliger Treffpunkt konzipiert ist, der von Mittwoch bis Sonntag geöffnet ist.
Welche Art von Filmen wird das Kino zeigen?
Es wird neben aktuellen Filmen vor allem vom CNC (Nationales Zentrum für Kino und bewegte Bilder) unterstützte Arthouse-Filme und Produktionen zeigen, die im Rahmen größerer Veranstaltungen wie dem Kurzfilmfestival oder dem Printemps du cinéma laufen. Dazu Sonderveranstaltungen wie eine Blockbuster Binge Film Night (z.B. Star Wars), ergänzt durch Special-Effects-Workshops im Fablab, etc. Das Filmprogramm wird auch dem künstlerischen Residenzprogramm und den Workshops in unseren anderen Räumen Rechnung tragen. Ab 2022 findet zudem ein Teil des Festivals des Italienischen Films Villerupt im Großen Saal und im Kino der Arche statt.
Welches sind die anderen Räume?
Der Ausstellungsraum im zweiten Obergeschoss ist während der allgemeinen Öffnungszeiten zugänglich. Er widmet sich der digitalen Kunst, einschließlich immersiven Videoarbeiten (Video Mapping), bei der die Zuschauer in interaktive Umgebungen eintauchen. Dies erlaubt es, den Besucher aktiv an Ausstellungen zu beteiligen, die auf künstlerische Formen zurückgreifen, die ihm aus der 3D-Technologie und dem Gaming vertraut sind.
Weitere Projekte werden im Außenraum oder im Rahmen von Koproduktionen organisiert, insbesondere mit dem gemeinnützigen Verein HACNUM, einem landesweiten Netzwerk für hybride Kunstformen und digitale Kulturen, das vom französischen Kulturministerium gefördert wird. In den vergangenen Jahren konnten zahlreiche Projekte rund um das Thema Denkmalpflege und digitale Kultur entwickelt werden, unter anderem beim Festival Constellations in Metz, das ich mitgeleitet habe. Die Arche ist Teil eines weiterführenden Prozesses der darauf abzielt, die digitale Kunstszene zu strukturieren. Zu möglichen Projektpartnern gehören das Festival Chroniques in Marseille und Aix, Scopitone in Nantes, L’Ososphère in Straßburg, Pôle Pixel in Lyon, La Gaîté Lyrique, oder das Centquatre und das Palais de Tokyo in Paris. In Luxemburg sind wir insbesondere mit den Rotondes im Gespräch und streben grenzüberschreitende Kooperationen rund um künstlerische Arbeitsaufenthalte, Workshops und dergleichen an. Ich freue mich darauf, die anderen Kulturakteure in der Region zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen, um sicherzustellen, dass die Arche in ein bestehendes Netzwerk eingebettet ist. Wir schätzen uns glücklich, auf die Unterstützung von Pim Knaff, Stadtrat von Esch und Präsident des Europäischen Verbunds für territoriale Zusammenarbeit Alzette-Belval, zählen zu können, der in unserem Vorstand aktiv ist und sich für den Austausch mit lokalen Akteuren in Luxemburg stark macht.
Welche Projekte werden Sie im Rahmen von Esch2022 organisieren?
Die Arche unterstützt verschiedene Offsite-Projekte, wie das akrobatische Tanzprojekt des Ensembles Chor’à Corps auf den ehemaligen Hochöfen in Belval, indem wir den Großen Saal für Residenzen und unsere Technik zur Verfügung stellen. Sylvain Mengel, Kulturprojektleiter der CCPHVA, wird diese Koproduktionen koordinieren. L’Arche ist ferner der Hauptaustragungsort für Esch2022-Projekte in unserer Region. Zurzeit denken wir über eine Beteiligung an der Eröffnungszeremonie von Esch2022 (REMIX Opening) und die Koordinierung der Aktionen der Arche und der verschiedenen Standorte in Esch und Belval nach. Im Rahmen von Esch2022 wird die Arche Gastgeber des vom gemeinnützigen Vereins MY ART – Modulab organisierten Projekts „Discursive Mechanics“ sein, das ein Video-Mapping auf der Ostfassade mit Werken des unlängst verstorbenen Brüsseler Künstlers Frédéric Penelle vorsieht, dessen Zeichnungen und Illustrationen durch Videoprojektionen des Künstlers und Videografen Yannick Jacquet erweitert und ergänzt werden.
Auf den Fassaden der Arche werden zu einem späteren Zeitpunkt weitere Projekte zu sehen sein. Ferner könnte die historische Stadtmauer im kommenden Sommer für Open-Air-Kinovorführungen genutzt werden. Dieser Außenbereich ließe sich auch als Plattform für in der Arche produzierte Arbeiten nutzen, da er aus der Umgebung einsehbar ist und die Galerie ergänzt, ein intimerer Ausstellungsraum im Inneren des Gebäudes, in dem die in unseren Workshops von verschiedenen Zielgruppen, von Kindern bis Senioren, hergestellten Werke gezeigt werden. Diese Workshops sind nach Möglichkeit kostenlos und sollen den Teilnehmern den Umgang mit alltäglichen oder modernen technischen Hilfsmitteln näherbringen, auch mit Blick auf die Berufsausbildung. Darüber hinaus präsentiert die Arche die neuesten Technologien, beispielsweise indem sie Betatests neuer Software durchführt.
Das heißt, L’Arche wird auch ein Labor für neue Technologien sein?
Genau, mit Blick auf die Berufswelt soll dieser Fokus auf digitale Technologien es ermöglichen, die Industrie mit Start-ups und der Kulturszene zusammenzubringen, mit dem Ziel, eine demokratische Kultur zu fördern und der Öffentlichkeit freien Zugang zu diesen neuen Technologien zu ermöglichen. Als alternativer Veranstaltungsort mit einem Schwerpunkt auf Kultur wird die Arche im Mittelpunkt aktueller Themen wie Gesundheit, Bildung und Kulturerbe stehen. Sie bringt Wissen und Technologie an einem vielseitigen Ort mit einander ergänzenden Praktiken zusammen, die sich gegenseitig nähren. Kultur wird hier unter dem Aspekt der Kreativität und der Erhaltung des industriellen Erbes der Region betrachtet. Einer meiner größten Träume ist es, im Rahmen eines Workshops mit Kindern die Fabrik in Micheville komplett in 3D zu rekonstruieren und anhand von Fotografien eine Karte der Fabrik zu erstellen, die über Virtual-Reality-Brillen vermittelt werden könnte. Jemand, der die ehemalige Fabrik gekannt hat, könnte in einem Liegestuhl in unserer Galerie liegend eine Diashow – und warum nicht auch ein Odorama – erleben, das ihn virtuell ins Bergwerk versetzt.
Welche Räume sind diesen Experimenten gewidmet?
Das MediaLab ist eine Produktionsstätte, die in einem Flügel der L’Arche untergebracht ist und aus fünf Medienstudios für Proben, Aufnahme, Schnitt, Soundtrack und Bildbearbeitung besteht. Diese Tools werden für die Konzeption oder Entwicklung von Kulturprojekten zur Verfügung gestellt. Musiker oder Choreografen können so beispielsweise bei der Aufnahme oder Entwicklung einer Bühnenproduktion unterstützt werden. Das Foto- und Videostudio ermöglicht es Nutzern, sich mit Techniken der Bildproduktion und -bearbeitung vertraut zu machen. Das PixelLab ist ein Studio zur Datenverarbeitung, während das Fablab der kreativen Arbeit mit industriellen Technologien wie 3D-Druckern gewidmet ist.
Ab 2022 wird die Arche auch die monatlichen Repair-Cafés der CCPHVA beherbergen, in denen ausgediente Haushaltsgeräte – zum Beispiel ein Miele-Staubsauger aus den 1960er Jahren – auseinandergenommen und repariert werden, damit sie für weitere 15 Jahre ihren Dienst leisten… L’Arche wird auch im Bereich des Gaming aktiv sein, das eng mit der Grafik- und Kreativ- Industrie verwoben ist. Im Gaming findet man Szenarien, Dekore und Umgebungen, die mit allen darstellenden Berufen verbunden sind. Ein weiteres Ziel der Arche ist es, die technologischen Fortschritte in diesen verschiedenen Bereichen zu verfolgen, um sie der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Während der Pandemie beispielsweise haben die Fablabs unmittelbar auf die Aktualität reagiert, indem dort Masken produziert wurden.
Wer hat das Gebäude entworfen und wann wird es eingeweiht?
Das von K-Architecture (Paris) entworfene Gebäude ist von der berühmten Villa Malaparte auf Capri inspiriert, der Kulisse für Jean-Luc Godards Film Le Mépris. Als Anspielung auf Italien konzipiert, fügt es sich in eine landschaftlich gestaltete Umgebung ein, die es mit dem Belvedere und den Überresten der historischen Stadtmauern verbindet. Diese Außenräume, die nachts von digitalen Laternen beleuchtet werden, ermöglichen es uns, auch Ausstellungen im Freien zu organisieren.