Es war einmal die Idee, einen Märchenpark zu bauen. Die hatte der holländische Gartenbauplaner Albert Willem Ter Braake im Jahr 1955. Und weil der seinerzeit amtierende Bürgermeister von Bettemburg, Léon Eberhard, und der Gemeinderat die Idee genauso gut fanden wie er, wurde eine Mannschaft zusammengestellt und sie begannen noch vor Ende des Jahres mit der Arbeit… Märchen gehören zu denjenigen literarischen und filmischen Phänomenen, die über Jahrhunderte und viele Altersgruppen hinweg einfach nicht aus der Mode kommen wollen. Ganz im Gegenteil! Und so ist auch der im Mai 1956 eröffnete „Parc Merveilleux“ bis heute bei der ganzen Familie sehr beliebt. Mit – für gewöhnlich – weit über 200.000 Besuchern pro Jahr ist der Märchenpark ein wahrer Touristenmagnet und führt die Liste der beliebtesten Orte für Besucher aus der Großregion und darüber hinaus sogar an. Von März bis Oktober können hier nicht nur berühmte Märchen dank liebevoller Aufbauten nachvollzogen werden, Kinder erfreuen sich an heimischen und exotischen Tieren, können auf Ponys reiten oder mit den Eltern Minigolf spielen. In der parkeigenen Zooschule wird Kindern und Gruppen, wie z.B. Schulklassen, in pädagogischen Workshops umfassendes Wissen über die Tiere auf dem Gelände sowie fremden Tierarten und deren Lebensraum vermittelt. Aber reisen wir gedanklich nochmal ein paar Jahrzehnte zurück.

Im August 1963 empfing man den Millionsten Gast, sechs Jahre später bereits den Zweimillionsten. Jahrzehntelang fanden Sonntagskonzerte statt, die Märchen wurden kontinuierlich erweitert. Schneewittchen, Hänsel und Gretel, Aschenputtel – die weltweit bekannten Klassiker sind schnell vertreten, später kommen auch zeitgenössische Erzählungen hinzu, wie zuletzt die Luxemburger Kindergeschichte über den «Klenge roude léiw von Marco Weiten und Mireille Weiten-de-Waha im Jahr 2009. In teilweise aufwändig gestalteten kleinen Häusern und Türmen, so z.B. mit Wand-Mosaiken im Falle von Rotkäppchens Zuhause, werden Szenen der Märchen mit handgefertigten und animierten Figuren dargestellt, die inmitten einer dazu passenden Requisite platziert sind. Begleitet von Musik und einem Erzähltext in luxemburgisch, deutsch und französisch, der von professionellen Luxemburger Sprecherinnen und Sprechern interpretiert wurde, können Besucher den aktuell elf Geschichten entspannt lauschen.

Aber nicht nur die Familien aus Luxemburg, Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden besuchten den Park immer zahlreicher, auch lokal ansässige Firmen feierten ihre Betriebsfeste hier. Regelmäßige Ausbauten – auch dank Spenden und der Übernahme von Patenschaften für die über 2000 Tiere durch Privatpersonen – sicherten den Fortbestand des Märchen- und Tierparks, auch über schwierige Phasen hinweg. Nachdem es Ende der 1990er Jahre zu einem wirtschaftlichen Tiefpunkt kam, wechselte die Führung und das Finanzierungsmodell. Die Vereinigung A.P.E.M.H., die sich für Menschen aller Altersgruppen mit geistigen Einschränkungen und deren Familien einsetzt, wurde zum Hauptpartner und erweckte den Ort zusammen mit seinen handwerklich begabten und motivierten Mitgliedern zu neuem Leben. Mit dem Inklusionsansatz kam der wirtschaftliche Erfolg zurück. Heute ist die A.P.E.M.H. Hauptaktionär, Gemeinde und Staat unterstützen ebenfalls. Auf dem 25 Hektar großen Gelände und seinen Einrichtungen arbeiten heute rund 170 Leute, davon sind ca. 35 Saisonarbeiter und Studenten zu den Hochzeiten im Einsatz. Dank der sozialen Vereinigung sind rund 100 Menschen mit Einschränkungen Teil der Belegschaft und können so einen entscheidenden Beitrag zur Führung des „Parc Merveilleux“ leisten. Außerhalb der Haupt-Besuchsphasen sind die meisten v.a. während der Wintermonate in den Werkstätten mit Restaurierungen oder Bauarbeiten beschäftigt.

Eine der größeren Neuerungen kam im Jahr 2001 mit dem Bau eines Kinderspielplatzes, ein Jahr später wurde ein tropischer Pavillon mit Aquarien und Terrarien eingeweiht, das 600m2 große „Mahajangahaus“, ein begehbares Gewächshaus, folgte 2009. Auch im Zuge der Europäischen Kulturhauptstadt Esch2022 werden Projekte im Zusammenhang mit dem Park umgesetzt – so v.a. „De Ris geet op d`Rees“ von der Gemeinde Bettemburg, ein intergenerationelles Literaturprojekt, das zum Highlight des jährlich stattfindenden Festivals „LiteraTour“ wird. Die Comictexter und -zeichner Lucien Czuga und Andy Genen widmen sich der Frage, wohin der Riese geht, nachdem alle Besucher den Park verlassen haben. Die Ideen seitens Besucher und Bürger für mögliche Abenteuer werden die Grundlage für einen Comic über ihn bilden. Dank kreativer und partizipativer Projekte wie diesem wird das beliebte Ausflugsziel treuen Stammbesuchern sowie neuen Gästen in der Region immer wieder eine Freude bereiten.
- Einblick in das Projekt unter De Ris geet op d’Rees – Startseite | Facebook
- Informationen über die Attraktionen und das gesamte Angebot sowie Öffnungszeiten und Eintrittspreise unter https://parc-merveilleux.lu/.