In Rodingen liegt das Dreiländereck, wo unberührte Wälder und Wiesen an die Grenzen zu Belgien, Frankreich und Luxemburg stoßen. Diese Gegend ist ein bedeutender Ort europäischer Geschichte an einem unscheinbaren Fleck. Wir haben den Besuch unserer ausländischen Freunde genutzt, um sie neu zu entdecken.
Unser Besuch war zum ersten Mal in der Gegend und natürlich wollten wir ihnen unsere Heimat ein bisschen näherbringen. Es wurde aber auch für uns ein interessanter Nachmittag, denn wir führten unsere Freunde zum Dreiländereck. Ohne uns hätten sie es bestimmt nicht gefunden, denn an den grünen Grenzen fehlt jegliche Markierung und der Platz kommt doch sehr unscheinbar daher.
Entlang des alten Schienenverkehrs brachten wir sie auf ein unauffälliges Stück Land inmitten einer Wiese und ließen sie vergessen, in welchem Land sie sich gerade befanden. Ohne uns hätten sie den speziellen Punkt, an dem sich die drei Länder aneinanderschmiegen, gar nicht entdecken können und wären am Ende enttäuscht gewesen. So aber schnupperten sie geschichtsträchtige Luft, verbunden mit dem am Gedanken Europas.
Das unscheinbarste aller Dreiländerecke
In der Tat ist es ein bisschen knifflig, genau die richtige Stelle des Dreiländerecks zu finden, und unsere Gäste bestätigten auch, dass sie sich mit uns an ihrer Seite wohler gefühlt hatten. Nicht nur, weil man die Stelle eventuell verpasst, sondern auch, weil wir ihnen viel über die Gegend erzählen konnten.
Ein orientierungsloser Spaziergänger stößt sich vielleicht an dem alltäglichen Flair des Industriegebietes und dem einfachen Charme des Schienenverkehrs. Wir aber kennen die naturbelassenen Routen und lauschigen Plätze im Südwesten Luxemburgs nahe der Grenzen zu Frankreich und Belgien, denn sie sind unsere Heimat. So erreicht man den Punkt des Dreiländerecks am besten von der luxemburgischen Seite aus. Dazu wanderten wir mit unseren Gästen von der Straße in Rodange (Teil der Gemeinde Petingen im Kanton Esch-sur-Alzette) hinab auf ein Brachfeld, spazierten mit ihnen an Industrieanlagen längst vergangener Zeiten vorbei und brachten sie durch hüfthohes Gras auf die Zielgerade.
Schließlich hatten wir die Stelle erreicht, die die Grenze von Luxemburg markiert. Und auch wenn der Platz durch wirklich nichts gekennzeichnet ist, liegt der europäische Gedanke inmitten unberührter Natur. Ohne Kontrollen ist man mit wenigen Schritten in Frankreich und mit weiteren wenigen Schritten in Belgien. Da anders als an anderen derartigen Plätzen, wie beispielsweise in Schengen, keine Friedenssäule oder das Europadenkmal daran erinnert, dass wir uns in Europa frei bewegen können, bedarf es Einheimische wie uns, die den Menschen von noch ganz anderen Zeiten berichten können.
Wir erzählten unseren Besuchern von einem Europa, das nicht immer selbstverständlich grenzenlos war. Wir erinnerten sie an den Zweiten Weltkrieg, als in diesen Wäldern hart gekämpft wurde; dem Land viele Opfer bescherte. An Zeiten, in denen es nicht möglich war, so wie in der Gegenwart, in friedlicher Eintracht zusammenzuleben. Zwar haben wir selbst den Krieg nicht miterlebt, aber wir sind Kinder dieser Zeit und waren lange Jahre davon geprägt, wie sehr Nachbarn als „Feinde“ galten. Gerade die jugendlichen Kinder unseres Besuchs hingen an unsere Lippen, weil sie manches kaum glauben konnten.
Wir erzählen unseren Mitwanderern, von den Zeiten, als es noch einen Schlagbaum gab und man beim Spaziergang einen Ausweis dabeihaben musste, selbst dann, wenn man nur durch die grünen Wiesen stromern wollte. Nicht selten traf man auf Zöllner, die mit ihren Hunden in dieser Gegend patrouillierten. Auf unserer aktuellen Tour wurden wir eher gefragt, in welchem Land wir uns denn gerade aufhalten. So selbstverständlich sind die nicht vorhandenen Grenzen inzwischen geworden. Jedes Mal versuchen wir unseren Gästen vor Augen zu führen, welche Errungenschaft ein Europa ohne Grenzen bedeutet, vor allem im Kanton Esch-sur-Alzette zwischen Luxemburg, Belgien und Frankreich.
Das bringt uns fast auf die Idee, solche Dreiländer-Wanderungen öfter zu machen. Wir waren eine lange Zeit gemeinsam unterwegs und das gab uns reichlich Gelegenheit, von unserer Heimat zu erzählen. Denn was für harte Zeiten der Südwesten Luxemburg mit dem schon bereits erwähnten Krieg und der bis in die 1960er Jahre reichende Erzabbau hinter sich hat, ist vielen nicht bekannt, einfach auch, weil heute überhaupt nichts mehr davon spürbar ist, so sehr hat sich dieses Fleckchen gewandelt.
Auch wenn man an einigen Ecken das Antlitz einer ehemaligen Industriestadt erahnen kann, so ist Petingen, als fünftgrößte Gemeinde des Landes, doch von einem wunderschönen Naturreservat und einer einzigartigen Naturlandschaft umgeben. Hier findet eine sanfte Form des Tourismus statt, die uns als Einwohner sehr recht ist. Hier agiert das kulturelle Leben und zieht viele unterschiedliche Gäste an.

Tanktourismus – auch im Südwesten von Luxemburg
Daran ändert auch der manchmal schwer zu ertragende Tourismus der „Sprit-Hamsterer“ nichts. Sie standen häufig Stoßstange an Stoßstange auf der „Route Nationale 5“ (RN5) in Rodingen und sorgten für fürchterliche Verkehrsbehinderungen. Auch das ein Ergebnis der gefallenen Grenzen: Schnell war man im Nachbarland, welches mit günstigen Spritpreisen aufwarten kann.
Der Kraftstoffabsatz an Tanktouristen und Transit-LKW-Fahrer hat für Luxemburg eine unschöne Kehrseite erhalten. Er verschlechtert die Umweltbilanz des Landes, denn der exportierte Kraftstoff wird den Emissionswerten Luxemburgs zugerechnet.
Bei uns in Rodingen sind wir gerade dabei, das Problem durch eine zusätzliche Tankstelle an der „Avenue de l’Europe“ zu lösen. Das wird die Lage merklich entzerren. Die Tankstelle soll mit zehn Zapfsäulen speziell für Lkw ausgestattet werden. Eine Baugenehmigung liegt bereits vor. Das reduziert hoffentlich die Blechlawine, die seit Jahrzehnten durch den Grenzort rollt.
