Territorium, Esch2022-News, Programm, Neueste

„Jeder Mensch hat das Recht auf Kultur“

Lena Batal, Chargée de l’accessibilité à la Culture in Esch2022 ©Marion Dessard

Wie würden Sie Ihre Funktion bei Esch2022 beschreiben?
Ich beschäftige mich mit der kulturellen Zugänglichkeit der Projekte und Einrichtungen: Ich überlege und entscheide also, wie man unterschiedliche Zielgruppen an der Kultur teilhaben lassen kann und wie man jedem den Zugang zu Veranstaltungen und Orten erleichtern kann. Dabei geht es vor allem um die Menschen, die ansonsten kaum Zugang zu Kultur haben.

Wie würdest du Zugänglichkeit definieren?
Zugänglichkeit bedeutet Inklusion im Bereich der Kultur, damit diese nicht nur einer Minderheit oder einer Elite vorbehalten ist, sondern jeder die Möglichkeit hat, Kultur für sich zu entdecken und sich daran zu beteiligen. Dieser partizipative Aspekt ist besonders wichtig. Zugänglichkeit ist in erster Linie ein Recht, das in Artikel 27 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung verankert ist: „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.

Die Zugänglichkeit betrifft vor allem die kulturfernen Bevölkerungsgruppen und versucht, jegliche Hindernisse abzubauen, die einzelnen Personen den Zugang zur Kultur verwehren (aus wirtschaftlichen, sozialen, aber auch physischen oder psychologischen Gründen). Es geht auch darum, die Situation von Menschen mit spezifischen Bedürfnissen zu berücksichtigen und den Zugang zu Einrichtungen und Inhalten zu verbessern.

Den Zugang zu kulturellen Einrichtungen zu verbessern bedeutet außerdem, sich auf die Bedürfnisse von Touristen aus dem Ausland, Neuankömmlingen, Kindern, älteren Menschen usw. zu konzentrieren.

Welche konkreten Aktionen und Maßnahmen möchtest du in diesem Zusammenhang ausarbeiten?
Um das Thema Zugänglichkeit richtig anzugehen, darf keine Entscheidung ohne das betreffende Publikum getroffen werden. Aus diesem Grund ist es für mich von großer Bedeutung, mit den lokalen Akteuren im kulturellen und sozialen Bereich zusammenzuarbeiten und gemeinsam Lösungen und Wege zu finden, eine inklusive und kooperative Kultur zu fördern.

Dies umfasst auch die Entwicklung einer Kommunikation, die für alle zugänglich und verständlich ist, insbesondere für Menschen mit spezifischen Bedürfnissen oder Personen, die unsere Sprache vielleicht noch nicht beherrschen, wie z.B. Neuankömmlinge. Derzeit arbeiten wir mit dem KLARO-Service der APEMH zusammen, um zu lernen, wie man in einfacher Sprache miteinander kommuniziert.

Parallel dazu arbeite ich viel mit der Öffentlichkeitsabteilung von Esch2022 zusammen, um geeignete Kommunikationsmethoden zu entwickeln: z. B. Führungen für ältere Menschen, für Menschen mit spezifischen Bedürfnissen und die gemeinsame Ausarbeitung von Workshops mit den Vereinen, damit alle Bevölkerungsgruppen aktiv teilnehmen können.

Esch2022 arbeitet außerdem mit Cultur’all zusammen. Dies ist die gemeinnützige Organisation, die den Kulturpass verwaltet, der es Menschen mit einem geringen Einkommen ermöglicht, kostenlos oder für 1,50 € pro Veranstaltung (Shows, Ausstellungen, Konzerte, sportliche Aktivitäten usw.) Zugang zu Kultur zu erhalten. Gemeinsam mit Cultur’all versuchen wir, den Kulturpass in der Esch2022-Region voranzubringen sowie kulturelle und soziale Akteure über das Thema Kulturzugang zu informieren und zu sensibilisieren.

Wie können die Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden?
Wir wollen jedem Menschen Zugang zur Kultur ermöglichen und sicherstellen, dass dieser Zugang gleichberechtigt ist. Jeder sollte Zugang zu kulturellen Veranstaltungen haben und sich selbständig fortbewegen können, ohne unbedingt auf eine Begleitperson angewiesen zu sein. Außerdem werden die Projektpartner für diese Herausforderungen sensibilisiert, um ihnen zu helfen, ihre Projekte in diesem Sinne anzupassen. Auf diese Weise fördere ich die Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Organisationen und den Projektpartnern. Obwohl sich bereits eine Menge Projekte von Esch2022 mit dem Thema Zugänglichkeit auseinandersetzt haben, wollen wir erreichen, dass sämtliche Events für alle zugänglich sind.

Ist die Sprachenvielfalt in Luxemburg ein wichtiges Element bei deinen Maßnahmen?
In einem grenzüberschreitenden und multikulturellen Land wie Luxemburg ist diese Sprachenvielfalt natürlich von großer Bedeutung. Aus diesem Grund bemühen wir uns sehr darum, alle Veranstaltungen so zu gestalten, dass sie der sprachlichen Situation des Landes und den jeweiligen Bedürfnissen gerecht werden. Zum Beispiel werden unsere Führungen für die großen Ausstellungen in der Massenoire und in der Möllerei systematisch in deutscher, englischer, französischer und luxemburgischer Sprache durchgeführt, und wir planen auch Führungen in Gebärdensprache und noch einigen weiteren Fremdsprachen einzuführen. Die entsprechenden Informationen werden bei jeder unserer Veranstaltungen im Voraus mitgeteilt.

Welche sind die größten Herausforderungen für die Zugänglichkeit im Rahmen von Esch2022?
Die größte Herausforderung besteht darin, das Publikum anzulocken, ihnen Lust zu machen, wiederzukommen und das kulturelle Angebot auch weit über Esch2022 hinaus nutzen zu wollen. Denn Esch2022 möchte die Entstehung von Initiativen und Synergien fördern, die dauerhaft Bestand haben werden.

Gibt es spezielle Hilfsmittel, die es Menschen mit spezifischen Bedürfnissen ermöglichen, Erfahrungen zu machen, die sie sonst nur eingeschränkt erleben können?
Immersive Life zum Beispiel ist ein Hilfsmittel, das wir gemeinsam mit der Hörgeschädigten Beratung einsetzen. Dabei handelt es sich um vibrierende Westen, die Töne und Musik in Schwingung umwandeln und somit gehörlosen oder hörgeschädigten Menschen den Zugang zu Klängen und Musik auf Konzerten, Festivals oder z.B. bei Musikworkshops ermöglichen. Für blinde oder sehbehinderte Menschen bieten wir Führungen zusammen mit einer sehenden Person an, um auf diese Weise den Zugang zu den Werken zu ermöglichen. Im Mittelpunkt dieser Maßnahmen stehen die Gefühle und Emotionen der Menschen.

Wie steht es um die Barrierefreiheit der Veranstaltungsorte?
Die Barrierefreiheit ist ein wesentlicher Aspekt im Rahmen von Esch2022 und wir bemühen uns, sämtliche Infrastrukturen so zu gestalten, dass alle Besucher sie so gut wie nur möglich nutzen können. Es ist wichtig, dass die Menschen im Voraus darüber informiert werden, ob und wie sie zu einer Veranstaltung gelangen können.

Hat die sanitäre Lage einen Einfluss auf die Zugänglichkeit?
Es ist offensichtlich, dass der Kulturbereich unter den Absagen, Verschiebungen und dem Rückgang der Besucherzahlen leidet, die durch diese Situation verursacht wurden und werden. Die Gesundheitskrise verstärkt außerdem die Isolation und die Missstände von schwachen oder gefährdeten Menschen. In diesem Zusammenhang spielt die Kultur eine wichtige Rolle, denn sie verhindert, dass die Menschen sich zurückziehen, und hilft dabei die sozialen Kontakte wiederherzustellen.